Warum Greenwashing nicht (mehr) funktioniert und was Unternehmen stattdessen tun können
In den nächsten Jahren werden deutlich mehr Unternehmen verpflichtet, einen jährlichen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Das trifft vor allem größere Unternehmen des Mittelstands. Damit ist zugleich die Zeit des Greenwashings vorbei. Darauf sollten sich Unternehmen gründlich vorbereiten und die Chancen nutzen, die sich aus einer breiter angelegten Nachhaltigkeitskommunikation ergeben. Was zu diesen Vorbereitungen gehört, weiß Nachhaltigkeitsexperte Michael Bürker. Hier der zweite Teil unserer Interviewreihe zum Thema „Nachhaltigkeitskommunikation“.
SCRIPT: Michael, eine Frage treibt viele Unternehmen besonders um: Welche Maßnahmen sollen sie ergreifen, wenn ihnen Greenwashing vorgeworfen wird?
Erst einmal nicht kommunizieren, sondern prüfen, ob an den Vorwürfen was dran ist. Es gibt immer wieder Unternehmen, die nach bestem Wissen und Gewissen über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten berichten, aber unterschätzen, was die Regularien verlangen. Man muss nicht mal Vorsatz unterstellen, es genügt schon unterschiedliche Ansprüche und Erwartungen zu haben. Erst wenn man sich ein klares Bild gemacht hat, startet die Kommunikation.
SCRIPT: Und wie sollte die im Idealfall aussehen?
Ist der Vorwurf des Greenwashings berechtigt, sollten Unternehmen die entsprechenden Kommunikationsmaßnahmen unverzüglich zurücknehmen. Zugleich sollten sie dafür sorgen, dass Fehlverhalten gegebenenfalls korrigiert wird. Sollten die Vorwürfe unberechtigt sein, geht es darum, dies durch konkrete und eindeutige Belege zu zeigen und zu kommunizieren. Theoretisch sind sogar Rechtsmittel denkbar, vom Vorwurf der Behauptung falscher Tatsachen bis hin zur Rufschädigung bzw. Verleumdung.
Deswegen helfen die verschärften Dokumentationspflichten, Greenwashing zu vermeiden – sie verlangen prüfbare Belege für nachhaltiges Verhalten.
SCRIPT: Was können Unternehmen im Vorfeld tun, um gar nicht erst den Eindruck von Greenwashing zu erwecken?
Es kommt vor allem darauf an, dass alle Nachhaltigkeitsaktivitäten gemessen werden und nachprüfbar sind. Nach der Regel „comply or explain“ muss alles, was Unternehmen nicht erfüllen, erklärt werden. Es ist wichtig, nur Sachverhalte zu veröffentlichen, die stichhaltig sind, und keine Versprechungen abzugeben.
Und noch ein Hinweis: Kein Unternehmen startet von null auf 100, sondern arbeitet sich Schritt für Schritt an das Thema heran und versucht, nach und nach immer besser zu werden. Dafür ist permanentes Feedback wichtig. Und das beste Feedback-Instrument, das wir Menschen haben, ist die Kommunikation.
SCRIPT: Womit soll ein Unternehmen starten, das zum ersten Mal einen Nachhaltigkeitsbericht erstellt?
Eine gute erste Maßnahme ist die Durchführung einer sogenannten Wesentlichkeits- oder Materialitätsanalyse. Sie ist weniger spektakulär, als es sich vielleicht anhört. Es geht schlicht um eine Bestandsaufnahme der Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit auf die Umwelt und auf die Stakeholder – und umgekehrt. Die Themen mit dem größten Impact sollten Unternehmen zuerst angehen, in dem man eine Nachhaltigkeitsstrategie erstellt, also Ziele definiert und Maßnahmen zur Verbesserung erarbeitet. Auch organisatorische Fragen wie die Benennung eines Nachhaltigkeitsbeauftragten oder Softwarelösungen gehören dazu. Im nächsten Schritt geht’s dann an die Umsetzung.
SCRIPT: Und dann beginnt die Kommunikation?
Die externe, ja. Mit der internen, sprich, mit der Einbindung der Mitarbeitenden, sollten Unternehmen von Beginn an starten. Wir hören immer wieder von Unternehmen, wie bereitwillig die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Thema Nachhaltigkeit aufnehmen, konkrete Ideen entwickeln und so die Einführung des Nachhaltigkeitsmanagements tatkräftig unterstützen.
SCRIPT: Apropos: Braucht man den Nachhaltigkeitsbeauftragten oder ein ganzes Team zu diesem Thema überhaupt? Oder geht es auch ohne?
Erfahrungsgemäß geht es einfacher und schneller, wenn jemand die Nachhaltigkeitsaktivitäten koordiniert, der die entsprechende Kompetenz mitbringt und die nötige Zeit hat. Das darf aber nicht bedeuten, dass alle Nachhaltigkeitsaufgaben an diese Person delegiert werden. Alle im Unternehmen sind gefragt – vom Top-Management bis zu jedem einzelnen Mitarbeitenden. Am Ende werden alle zu „Nachhaltigkeitsbeauftragten“.
SCRIPT: Welche Ressorts im Unternehmen sollten bei den Prozessen beteiligt werden?
Auch wenn viele zunächst an das Marketing denken, weil man zum Beispiel eine grüne Kampagne fahren oder nachhaltige Produkte entwickeln will, sind auch andere Bereiche wichtig – vor allem das Finanzressort. Ein Grund dafür ist die Sustainable Finance Strategy der EU, die dazu führen wird, dass nachhaltige Unternehmen am Kapitalmarkt günstigere Konditionen erhalten.
In Unternehmen, die Nachhaltigkeit ernst nehmen, sind alle Bereiche von der Unternehmensleitung über Operations und IT bis zu Organisation und Personal eingebunden – nicht nur das Marketing.
SCRIPT: Welche Rolle spielen die Führungskräfte bei der Implementierung der Nachhaltigkeitsstrategie?
Wir sprechen hier in der Regel von Kaskaden-Kommunikation: Die Top-Management-Ebene trägt vor allem die strategische Verantwortung nach innen und außen. Das mittlere Management hat die Aufgabe, die Nachhaltigkeitsstrategie in alle Geschäftsbereiche und Aufgabenfelder zu tragen und dort auch für die entsprechende Motivation zu sorgen, also die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Bord zu holen. So geht das weiter bis zu jedem Standort, jeder Abteilung, jeder Arbeitsgruppe.
Doch aus vielen Gesprächen wissen wir, dass die Stoßrichtung häufig nicht nur top down erfolgt, sondern dass sehr oft Ideen, Initiativen und Lösungsansätze von den Mitarbeitenden entwickelt werden, also bottom up.
SCRIPT: Wer am Anfang steht, benötigt Informationen. Wo findet man diese? Und sind die für Neulinge nicht recht unverständlich?
Eine gute erste Orientierung vermitteln die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, die so genannten SDG’s – Sustainable Development Goals [https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-verstaendlich-erklaert-232174]. Damit können Unternehmen die eigentliche Bandbreite besser abschätzen und die Bereiche definieren, von denen sie überhaupt betroffen sind. Dann gibt es den Deutschen Nachhaltigkeitskodex [https://www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de/de-DE/Home/DNK/DNK-Overview], ein Regelwerk, das für die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts maßgeblich ist und rund 40 Kriterien zum Thema aufführt. Dort findet man in einer Datenbank auch Erklärungen von Unternehmen, die diese Kriterien befolgen. Eine dritte Quelle sind die internationalen Standards der Global Reporting Initiative – da wird es natürlich etwas umfangreicher [https://www.globalreporting.org/].
SCRIPT: Hast du noch ein paar spezielle Links auf Lager?
Die Nachhaltigkeits-Consultants von unserer Partneragentur akzente haben wichtige Infos zu den Berichtsinhalten online zusammengestellt [www.csr-berichtspflicht.de/csrd]. Einen schnellen Überblick über mögliche Risiken liefert der „CSR-Risiko-Check“ [www.mvorisicochecker.nl/de/csr-risiko-check]. Etwas weiter geht der „KMU Kompass“ [https://kompass.wirtschaft-entwicklung.de/], der auch Maßnahmen und Reporting bereitstellt.
Dieses Interview ist in Zusammenarbeit mit SCRIPT Consult entstanden. Herzlichen Dank an Michi Kohnle für das – wie immer – inspirierende Gespräch. Den Originalbeitrag finden Sie im SCRIPT Agentur-Blog.